Der Kulturschock, der uns vor unserer Anreise nach Griechenland versprochen wurde, traf erst so richtig nach der Rückkehr. Man steigt aus dem Flugzeug, tritt auf deutschen Boden, und plötzlich fühlt sich alles merkwürdig flach an. Nicht nur im geografischen Sinne – auch wenn der Mount Olympus mit dem Norddeutschen Flachland oder ländlicher Hügellandschaft ersetzt wird – sondern im Gefühl. Der Himmel strahlt uns nicht mehr grell blau entgegen, alles ist so ungewohnt grau und still. Es ist nicht so, dass Deutschland sich verändert hat. Es ist unsere Wahrnehmung, die sich verschoben hat. Wir sind wieder zurück, aber nicht mehr dieselben.
Der Kontrast zwischen den sonnengetränkten Tagen in Thessaloniki und dem strukturierten Rhythmus unseres Heimatlandes ließ uns zunächst taumeln. Wir vermissen die laute, überfordernde Großstadt, das chaotische, kreative Durcheinander, das uns so tief geprägt hatte. Der Kulturschock kam nicht beim Hinflug – er traf uns mit voller Wucht erst beim Heimkommen.
Unser Arbeitsplatz in Thessaloniki war bedeutend für unsere Transformation. Unsere Arbeit am Magazin erlaubte es uns, uns frei kreativ auszuleben und diese Ideen in die Welt zu tragen. Balkanheart war ein Ort, an dem nicht Effizienz, sondern Leidenschaft die Leitlinie war.
Die Artikel, die wir schrieben, waren oft mehr als Texte. Sie waren persönliche Reisen, Reflexionen und kreative Statements. Wir durften nicht nur recherchieren und schreiben, sondern als Editor*innen ein ganzes Magazin gestalten, das wir stolz als Kollektion von Kunstwerken und vielfältigen Bemühungen in der Hand halten konnten. In dieser Rolle als Editor*innen wuchsen wir über uns hinaus. Die Arbeit an eigenen Projekten schärfte unseren Blick, stärkte unser Selbstbewusstsein und gab uns die Möglichkeit, unsere Gedanken in einer Weise auszudrücken, die wir zuvor nicht kannten.
Aber am meistens hat uns wahrscheinlich der Austausch und die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen verändert. Wir lebten mit bis zu 30 anderen Freiwilligen unter einem Dach. Fremde aus aller Welt, mit unterschiedlichsten Hintergründen, Geschichten und Werten. Es war wie ein soziales Experiment, bei dem die Regeln sich täglich neu schreiben. So viele grundsätzlich verschiedene Charaktere teilen sich Zimmer, Küche und, bei nächtlichen Konversationen auf der Dachterrasse, manchmal auch ihre tiefsten Gedanken mit uns. Es war eng, laut, lebendig und deshalb natürlich manchmal auch konfliktreich.
Doch genau diese Enge zwang uns aus unserer Komfortzone. Wir lernten, wie man zuhört, wie man diskutiert, ohne zu verletzen, wie man verzeiht und wie man sich selbst behauptet. Die Auseinandersetzungen, so überfordernd sie in einzelnen Momenten auch gewesen sein mögen, waren letztlich lehrreich. Sie zeigten uns, dass Zusammenleben nicht nur Harmonie, sondern vor allem Kommunikation, Kompromiss und Respekt bedeutet.
Und dann waren da die Freundschaften. Intensive, oft blitzschnell entstehende Bindungen, wie sie nur in Ausnahmesituationen entstehen. Der gemeinsame Alltag, das Teilen von Lebensgeschichten, Sorgen und Träumen schuf Verbindungen, die über Nationalitäten und Sprachen hinausgingen. Der Abschied von solchen Beziehungen kam häufig schnell und abrupt. Unser soziales Umfeld war so schnell wieder verschwunden, wie es unser Leben umstrukturierte. Doch diese anstrengende, ständige Abwechslung erlaubte es uns, überragend viele, grundsätzlich unterschiedliche Erfahrungen und Lektionen innerhalb von so kurzer Zeit zu sammeln.
All diese Erfahrungen fanden im Setting von der Kulturstadt Thessaloniki statt, eine herausragende Kulisse für transformative Erfahrungen. Thessaloniki war mehr als nur der Ort unseres Freiwilligendienstes – sie war unsere Bühne, unsere Muse, unser Abenteuerland. Diese Stadt lebt in Schichten. Da ist das glitzernde Blau des Hafens, an dem man sich an vielen langen Spaziergängen sattsehen konnte. Da sind die grauen Betonbauten, die an manchen Tagen trist erscheinen mögen, aber an sonnigen Tagen den griechischen Großstadt-Charme einfassen. Auch genossen wir, in die vielfältige Geschichte der Stadt einzutauchen und in der verwinkelten Altstadt oder historischen Kirchen in der Zeit zurückzureisen.
Die Stadt hat eine Seele, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Erst wenn man sich in extravaganten Studenten-Läden treiben lässt, nachts durch die Straßen zieht, in improvisierten Bars tanzt oder auf den Dächern der Universität in den Sonnenaufgang lacht kann man das Thessaloniki erkennen, in das wir uns verliebt haben.
Die griechische Kultur hat uns in ihrer Vielschichtigkeit fasziniert. Da war diese tiefe, Herzlichkeit – das Teilen, das Willkommenheißen, das ungezwungene Miteinander. Gleichzeitig spürte man an vielen Stellen auch die politischen Spannungen, wirtschaftlichen Herausforderungen und eine gewisse Skepsis gegenüber staatlichen Strukturen. Wir wären gerne noch tiefer in die griechische Welt eingetaucht und sind enttäuscht, dass wir uns nur wenige Griechischkentnisse aneignen konnten. Unter anderem, da uns leider nur 2 Monate Unterricht angeboten wurden. Dennoch konnte die griechische Attitüde auf uns abfärben und wir hoffen, wir können ihren Gemeinschaftsgeist mit nach Deutschland tragen.
Jetzt, zurück in Deutschland, merken wir, wie tief Thessaloniki in uns lebt. Wir vermissen die Vielfalt, die Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart, die Ruinen zwischen Wohnhäusern, die imposanten alten Kirchen, die byzantinischen Mauern, das Meer, das alles umrahmt.
Aber mehr noch vermissen wir das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Von einer lebendigen, chaotischen, künstlerischen, zusammenhaltenden Gemeinschaft.
Der Freiwilligendienst hat uns verändert – nicht durch große Gesten, sondern durch das tägliche Erleben. Es hat uns neugieriger, mutiger, unabhängiger gemacht. Es hat uns gezeigt, wie erfüllend es sein kann, aus der Komfortzone zu treten und sich auf das Unbekannte einzulassen.
Wir blicken mit unendlicher Dankbarkeit auf unsere Erfahrungen zurück. Unser Freiwilligendienst in Griechenland war mehr als ein Projekt. Es war ein Lebensabschnitt, der unsere Perspektive erweitert, unsere Herzen geöffnet und unseren Lebensweg neu ausgerichtet hat.
Sheila and Toni verbringen ihren Freiwilligendienst bei United Societies of Balkans, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.
Wenn du etwas Ähnliches wie Sheila and Toni erleben möchtest, schau dir unsere Calls hier an.


