Eva in Numancia de la Sagra, Spanien // 1. Bericht

Hola!

Ich bin Eva, 20 Jahre alt und komme aus Lutherstadt Wittenberg.

Fast drei Monate ist es jetzt schon her, dass ich mich von Deutschland aus nach Spanien aufgemacht habe, um hier einen Freiwilligendienst zu machen.
Ich wohne in Numancia de la Sagra, einem kleinen Dorf in Castilla-La-Mancha, zwischen Madrid und Toledo. Die Organisation, bei der ich arbeite, heißt „Proyecto Kieu„. Ihr Ziel ist es, jungen Menschen aus der Region mehr Chancen und Möglichkeiten zu bieten. Von Dienstag bis Freitag arbeite ich nachmittags bzw. abends in einem  Jugendzentrum. Dorthin kommen Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren, um Billard, Tischtennis, Federball … zu spielen, Hilfe bei Hausaufgaben oder der Jobsuche zu bekommen, sich Ratschläge für ihr Liebesleben, Familien- oder Schulprobleme u.Ä. zu holen und um einfach Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. Mehrmals pro Woche gibt es außerdem besondere Workshops zu Themen wie Gendergerechtigkeit, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten uvm. Meine Aufgabe besteht darin, die Jugendleiterin, Esther, zu unterstützen, Fotos für social media zu machen, mich mit den Jugendlichen zu unterhalten und meine Ideen einzubringen. Außerdem veranstalte ich jeden Monat  ein „English Coffee“, bei dem die Jugendlichen spielerisch Englisch lernen und üben können. Die Arbeit im Zentrum macht Spaß. Es ist interessant sich mit den Jugendlichen zu unterhalten und ihre Ansichten und Einstellungen kennenzulernen. Auch die Projekte, die wir durchführen, sind sehr spannend.

Wenn viele Leute da sind, kann es aber auch anstrengend werden. Dann reden alle durcheinander, es ist ziemlich laut und ich verstehe sehr wenig. Außerdem wirken einige etwas unmotiviert und ängstlich. Sie wissen nicht, was sie nach der Schule machen wollen, haben relativ geringe Ansprüche an sich und ihre Zukunft und Angst, die Region zu verlassen. Ich glaube, oft sehen sie nicht ihre Möglichkeiten, haben wenige Vorbilder und fühlen sich nicht gehört. Deshalb sind die Jugendzentren in der Region sehr wichtig. Hier finden sie jemanden, der sie versteht, ihnen zuhört, von seinen Erfahrungen erzählt und dadurch ein Vorbild oder eine Inspiration sein kann. Außerdem werden sie über ihre Chancen aufgeklärt und lernen ein bisschen, über den Tellerrand zu schauen.

Einmal pro Woche gebe ich Englischunterricht für Mitarbeiter*innen von Proyecto Kieu. Obwohl mein Englisch wirklich nicht perfekt ist, kann ich ihnen doch dabei helfen. Da der Schulunterricht wohl sehr trocken und wenig praxisorientiert ist/war, üben wir vor allem das Sprechen. In das Unterrichten musste und muss ich erst hineinwachsen. Letztendlich macht es mir aber wirklich Spaß. Es ist sehr cool, die Fortschritte zu sehen und zu merken, dass man wirklich helfen und etwas sinnvolles machen kann.

Die ersten 2 Monate habe ich außerdem Deutschunterricht gegeben. Mein Schüler ist nun Freiwilliger in Bremen. Es hat mir viel Spaß gemacht, etwas von meiner Muttersprache und Kultur weiterzugeben und gleichzeitig mehr über die spanische und lateinamerikanische Kultur zu lernen. Wahrscheinlich werden wir den Unterricht auch weiterführen und uns so noch mehr über unsere Erfahrungen als Freiwillige austauschen. Ich bin sehr gespannt, was er über Deutschland sagt.

Oft werde ich gefragt, wie Deutschland ist und ob es sehr anders als Spanien ist. Diese Frage zu beantworten, finde ich ziemlich schwierig, weil ich mich einerseits schon so an das Leben hier gewöhnt habe und weil es mir andererseits manchmal sehr schwer fällt, die deutsche Kultur zu fassen. Das Leben dort ist ja total normal für mich. Außerdem lebe ich in Deutschland auch irgendwie in einer Blase, mit Menschen, die aus einem ähnlichen Hintergrund kommen und ähnliche Chancen, Ansichten und Interessen haben wie ich. Dadurch kann ich die Diversität des Landes, der Leute und der Kultur gar nicht so gut erklären.

Eine Sache, die ich hier total toll finde, ist die Internationalität. Der ESC erfüllt wirklich seinen Sinn, weil mir bewusst wird, wie viele Chancen uns die EU ermöglicht und wie schön die Vielfalt Europas ist. Ich teile mir ein Zimmer mit meiner italienischen Mitfreiwilligen, Chiara. Außer uns wohnen in der Wohnung noch zwei Mitarbeiterinnen von Proyecto Kieu. Stefana kommt aus Bulgarien und war selbst einmal Freiwillige hier. Laura kommt aus Kolumbien, wohnt aber schon lange mit ihrer Famile in Numancia. In unserer Wohnung gibt es also eine bunt gemischte kulturelle Vielfalt. Es ist total interessant zu sehen, was und wie die anderen kochen oder sich über unterschiedliche Traditionen unserer Herkunftsländer zu unterhalten. Natürlich muss man manchmal Kompromisse eingehen und hat etwas weniger Privatsphäre, wenn man sich ein Zimmer teilt, aber es funktioniert sehr gut. Chiara und ich sind uns ziemlich ähnlich und verstehen uns wirklich gut. Dadurch klappt das Zusammenleben super.

Eine Straße weiter wohnen 4 der anderen Freiwilligen: eine Ungarin, zwei Französ*innen und ein weiterer Italiener. Die anderen 3 (zwei Italiener*innen und eine Dänin) wohnen etwas weiter entfernt. Da der ÖPNV zwischen den Dörfern recht kompliziert ist, können wir sie leider nicht so oft sehen. Aber dafür wohnen die anderen ja umso dichter dran. Oft treffen wir uns oder machen Ausflüge zusammen. Die letzten Monate war es, wegen Corona, leider verboten, die autonomen Regionen (= Bundesländer) zu verlassen. Nun sind die Grenzen aber geöffnet und ich freue mich schon sehr darauf, einige neue Orte Spaniens kennenzulernen.

 

Die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen genieße ich sehr. Ich finde es total bereichernd, nicht nur neues über die spanische, sondern auch über die italienische, französische, ungarische und dänische Kultur zu lernen. Außerdem ist es sehr schön Menschen zu kennen, die einen ähnlichen Alltag haben und sich mit ihnen über die Erfahrungen, die ich hier mache, auszutauschen. Dadurch, dass wir alle in der selben Position sind, sind wir auch mehr auf einer Wellenlänge. Wir sind alle relativ verschieden, aber gerade das bereichert unsere Gruppe sehr. Ich bin sehr glücklich so ein tolles soziales Umfeld zu haben.

Eine Sache, die mir ganz besonders daran gefällt, im Ausland zu leben, ist, dass ich im Alltag fast immer spanisch reden kann und dadurch ohne Anstrengung und ohne es richtig zu merken, meine Sprachkenntnisse üben und verbessern kann. Hoffentlich kann ich in den nächsten Monaten noch viel lernen und vor allem neue Orte Spaniens entdecken!

Sonnige Grüße aus Spanien & hasta luego!

Eva

 

Eva ist Teil unseres Projekts „Global Difference Makers“, welches vom Europäischen Solidaritätskorps und Jugend für Europa gefördert wird.