Clemens in Tbilisi, Georgien // 1. Bericht

„Ein Gast ist ein Geschenk Gottes“. Dieses alte, georgische Sprichwort vermittelt eine sehr zutreffende Vorstellung von der Gastfreundschaft des Landes, aus dem dieses stammt. Ein Land, in dem man sich ganz sicher keine Sorgen machen sollte, man könnte wohlmöglich hungrig vom Tisch aufstehen, wenn man eine Einladung zum Essen erhalten hat. Vielmehr sollte man sich darüber Gedanken machen keine Gewissensbisse zu bekommen, wenn man bereits satt ist trotz der enormen Mengen an Essen, die noch bereitstehen. Natürlich auch darüber, dass der Gastgeber möglicherweise den ein oder anderen Toast zu viel sprechen wird, zu dem fleißig Wein getrunken wird.

Als ich vor etwa zwei Monaten in Tbilissi in Georgien angekommen bin waren die ersten Worte, die ich außerhalb des Flughafens mit einer einheimischen Person gewechselt habe, die des Taxifahrers, welcher bei meinem Versuch mich anzuschnallen beteuerte, dass dies hier nicht nötig sei, kurz bevor er das Gaspedal komplett durchdrückte. Ein erster Eindruck des Verkehrs, der sich auch in den nachfolgenden beiden Monaten als sehr chaotisch herausstellen sollte.

Nun haben wir bereits zwei Stichwörter gehört, die georgische Menschen und ihre Heimat sehr gut beschreiben: Chaotik und Gastfreundschaft (einmal abgesehen von Marktverkäufer*innen und Taxifahrer*innen, welche aus englischsprechenden Touristen*innen ihren Profit ziehen wollen).

Ich bin Clemens, 18 Jahre alt und komme aus einer Kleinstadt in der Nähe von Nürnberg in Deutschland. Eine Region, der man im Allgemeinen nachsagt, eher muffige Menschen zu beherbergen, in einem Land, das es oft ziemlich genau mit Regeln und Ordnung nimmt. Insofern bedurfte es am Anfang etwas Umgewöhnung, da weder Zeitmanagement noch detaillierte Organisation hier einen besonders großen Stellenwert haben. Jedoch ist das nicht unbedingt etwas Negatives. Denn hierdurch entsteht nicht nur eine entspanntere Atmosphäre, sondern man erhält auch mehr Möglichkeiten zur freien Entfaltung, da Tätigkeiten flexibler sind und der Freiraum vorhanden ist, um eigene Ideen mit einzubringen.

Als ich das erste Mal das Office der Organisation „Tbilisi Youth Centers Union“ aufsuchte, erhielt ich entgegen meinen Erwartungen keine genauen Vorgaben meinen diesjährigen Unterricht betreffend. Stattdessen wurde ich gefragt, welche Fähigkeiten ich besitze und bekam die Chance eigene Vorschläge diesbezüglich einzubringen. In der Woche darauf begann meine Arbeit, deren Inhalt aus diesem Gespräch resultierte. Derzeit unterrichte ich in einem Jugendzentrum im Stadtviertel Qvemo Ponichala am Rande der Stadt dreimal in der Woche Schach, Deutsch, Mathematik und Englisch. Eine Beschäftigung, die mir große Freude bereitet.

An den Tagen unter der Woche, an denen ich mich nicht dort befinde, bin ich in der Regel bei der NGO Droni im Büro, welche für meine Mitfreiwilligen und mich die Zuständigkeit innehält. Dort bereite ich meinen Unterricht vor und bin ab und an auch in anderen Projekten verwickelt. So war ich beispielsweise am European Language Day im Goethe Institut und habe an einem Workshop über Erasmus+ über den European Solidarity Corps und meine Erfahrungen erzählt. Zudem baut Droni zurzeit eine Social Bar in Tbilissi auf, bei deren Promotion auf dem Aragvi Festival auch ich helfen durfte.

Somit gestaltet sich meine Arbeit abwechslungsreich und ich habe die Gelegenheit viele neue und vielfältige Erfahrungen zu sammeln.

An Wochenenden habe ich Spaß daran die Umgebung von Tbilissi zu erkunden. So war ich schon in der ehemaligen georgischen Hauptstadt Mzcheta, dem einst deutschem Dorf Bolnisi (früher Katharinenfeld) oder dem Höhlenkloster Davit Gareja in der wüstenartigen Landschaft an der Grenze zu Aserbaidschan. In der Regel hat man die Gelegenheit unkompliziert mit Marschrutkas für wenig Geld zu solchen Orten zu gelangen. Zudem besichtigte ich auch Zugdidi über ein verlängertes Wochenende, wo ich und zwei meiner Mitfreiwilligen bei einer georgischen Familie bleiben durften. Dort hatten wir das große Glück von dem Vater in der Umgebung herumgefahren zu werden, vielfältige Orte zu Gesicht zu bekommen und durch viel traditionelles, georgisches Essen verwöhnt zu werden, wodurch unser Trip bereichert wurde.

Die Gastfreundschaft wird in Georgien folglich nicht nur durch den Wein in der linken Hand des Monuments der Mutter Georgiens repräsentiert. Vielmehr wird sie sichtbar im Kontakt mit den Menschen zuhause, im Dorf und auf der Straße. Mit Menschen, deren Land gerade einmal so groß wie Bayern ist und trotz dessen ein Ausmaß an Vielfalt besitzt, das man sonst nur selten erlebt.

Clemens

Clemens Freiwilligendienst bei der Youth Centres Union und Youth Association DRONI wird kofinanziert von der Europäischen Union.