Marie in Skopje, Nordmazedonien // 2. Bericht

Nach fast 5 Monaten in Skopje, einem warmen Sommer und einem kühleren Herbst kann ich sicher sagen, dass man mittlerweile vieles erlebt hat. Skopje ist mit Abstand die größte Stadt Mazedoniens, doch manchmal kommt es einem so vor als würde man sie bereits in und auswendig kennen. Das könnte und ist vermutlich ein Zeichen maßloser Selbstüberschätzung aber im Endeffekt kennt hier jeder jeden oder zumindest den Großvater um anderthalb Ecken.

Was früher auf mich wie Beschäftigungstherapie gewirkt hat, ist mittlerweile eine Arbeit geworden, an der ich wirklich Freude habe. Zurzeit fokussieren wir auf ein Projekt „Средношколците за почисто Скопје“ (Highschool students for a cleaner Skopje), mit dem wir von der Stadt Skopje beauftragt wurden. Im Rahmen dieses Projektes haben wir Workshops an 23 Schulen in Skopje gehalten. Im Moment befinden wir uns in der zweiten Phase, in der die Schüler uns helfen „Clean Ups“ von kleinen Gebieten in jeder Stadtgemeinde Skopjes zu machen. Das klingt vielleicht ein wenig bizarr und ist vor allem keine Langzeitlösung – aber es schmeißt der Großteil Skopjes Plastikflaschen, Zigarettenstummel oder Chips Packungen auf den Boden, ohne das Bewusstsein für die Folgen zu haben. Vielleicht konnten wir etwas bewegen und dafür sorgen, dass die Schüler nach Partys ihre Glas- und Plastikflaschen nicht mehr in den Park werfen, wenn sie von den der Zersetzungs-Zeit hören und anschließend diese repräsentativ wieder aufsammeln dürfen.

Abgesehen davon ist Mazedonien vor allem außerhalb der Städte ein Traum. Die Bergregionen, Nationalparks, Anbindungen an den Balkan – und man selbst, irgendwo, halb verloren, mittendrin und immer etwas zu tun und zu sehen. Vom wunderschönen Albanien, das über den Ohridsee mit Mazedonien verbunden ist, über die tiefen Täler und hohen Berge Mazedoniens, durch kleine Bergstraßen auf dem Motorrad, oder krank in Istanbul mit Baklava und neuen Second-Hand-Klamotten. In den letzten Моnaten habe ich wirklich noch einmal eine Kostprobe davon bekommen wie es aussehen kann zu Reisen und zu Leben.

Dabei verändert man sich selbst am meisten: wie man Dinge angeht, einschätzt und welche Interessen sich entwickeln. Ich könnte, wenn ich wollte, nicht das Lebensgefühl von hier beschreiben. Ich kann aber sagen, dass ich angekommen bin in Skopje, die Stadt und die Leute sind mein zu Hause geworden. Viele Dinge, die mich am Anfang genervt haben, begeistern mich mittlerweile. Manchmal ist es immer noch schwer, dann ist einiges schnell zu viel, aber eine Freundin, die seit 4 Jahren hier lebt, meinte einmal zu mir: Ich war glücklich in Finnland, dann bin ich nach Mazedonien gekommen und ich wurde noch glücklicher. Diese Aussage ist in sich so süß und so wahr, dass mir dieser Spruch immer wieder in den Sinn kommt, wenn ich an Skopje und Mazedonien denke.

Ich bin mir auch sicher, dass ich nie mehr darum herumkommen werde die Dinge, die ich hier gelernt habe zu nutzen, auch nach dem ESK. Ich musste Selbständigkeit erlernen, die ich mit 20 Jahren noch nicht erlernen musste, und mich von meinem zu Hause emanzipieren, in dem ich 19 Jahre gelebt habe, und von meinen Eltern, die mich seit 20 Jahren großgezogen haben. Wäre ich in Deutschland geblieben wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen und das unabhängig von der Beziehung, die ich mit meinen Eltern habe, natürlich unter der Voraussetzung, dass man überhaupt eine hat, aber schon die räumliche Trennung ist verantwortlich für diese Entwicklungen oder katalysiert sie zumindest. Erwachsen werden klingt so absurd und hart, weil es mir persönlich das Gefühl von Unreife und Infantilität gibt, aber genau das ist es tatsächlich. Ich bin überzeugt davon, dass ich so erwachsen war wie ich erwachsen sein konnte zu vor, aber auch dass ich darüber hinausgewachsen bin und langsam fast schon groß geworden bin.

Ich habe Zeit gebraucht um mit Mazedonien warm zu werden, aber wenn man einmal aufgewärmt ist, dann spürt man die Wärme im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist ein schönes Gefühl hier zu sein, viele Leute verstehen es nicht, aber die haben auch noch nie hier gelebt. Die Kultur und die Lebenseinstellung, die Sprache und die Natur, alles begeistert mich hier. Die Freiwilligen, die ich hier kennenlernen durfte, teilen diese Erfahrung und diese auch mit mir.

Marie

Marie verbringt ihren Freiwilligendienst im Volunteers Centre Skopje. Das Projekt wird durch JUGEND für Europa und das Europäische Solidaritätskorps gefördert.