Malin in Tbilisi, Georgien // Abschlussbericht

Jetzt ist es so weit: Mein Dienst ist vorbei und in ein paar Tage sitze ich im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland. Die hier herrschende Hitze, es sind aktuell tagsüber 38°C, macht den Abschied etwas erträglicher, auch wenn ich mir noch nicht vorstellen kann, Georgien zu verlassen.

Bevor ich zu meinen abschließenden Worten komme, möchte ich hier noch meine Erlebnisse der letzten Monate teilen, denn durch das sonnige Wetter und aufgesparte Urlaubstage ist während meiner letzten Monate in Georgien noch viel passiert!

Die Zeit zwischen dem letzten Bericht und diesem war mal wieder ziemlich aufregend. Ich habe angefangen bei einem Tierheim in Tbilisi mit den Hunden Gassi zu gehen, im schönsten Ambiente am Lisi Lake. Hier kann man übrigens auch aus dem Ausland Hunde aus Georgien adoptieren!

Am 26.05. ist der Unabhängigkeitstag Georgiens. Hier gab es Paraden auf den geschmückten Straßen, Stände mit Wein, Essen und Spielen, viele Reden von politischen WürdenträgerInnen, die Vereidigung neuer SoldatInnen und Musik. So eine Art von Nationalfeiertag ist für mich, gerade im Kontrast zu Deutschland, etwas komplett Neues. Sei es die Zuschaustellung von Panzern und Kampfjets bei der Militärparade oder auch schon allein die vielen Flaggen, wie sie es in Deutschland nicht einmal bei der WM geben würde, zeigt immer wieder wie unterschiedlich die nationale Identität und der gelebte Patriotismus ist.

Bei Droni haben wir tief in den Vorbereitungen für ein geplantes Event in Rustavi „Sustainable Day“ gesteckt, welches Ende Juli dann auch erfolgreich stattgefunden hat. Es gab verschiedene Zelte und Stände mit Aktivitäten für die BesucherInnen, wie vegane Burger selber machen oder ein Umweltquiz. Ich habe einen Workshop über klimafreundliche Ernährung abgehalten. Teil davon war ein Spiel, bei dem man Lebensmittel anhand ihrer CO² Emissionen ordnen musste. Am Ende konnte man aufdecken, ob man diese richtig eingeschätzt hat.

Zudem hatte ich meinen letzten Workshop im Jugendzentrum diesmal über Mental Health. Da ich mir meine Urlaubstage für den Sommer aufgespart habe, fiel die Arbeit im Juli dadurch eher kurz. Auch wenn ich in den letzten 10 Tagen noch bei einem Outdoorprojekt über Inklusion teilgenommen habe und die TrainerInnen unterstützt habe. Während dieser Tage haben wir gezeltet und uns besonders mit der Frage beschäftigt, wie man Sportarten und Outdooraktivitäten inklusiver und barrierefreier gestalten kann. Mein Höhepunkt war eine ziemliche anstrengende Wanderung mit wirklich toller Aussicht am Ende auf ungefähr 4000 Metern und das Rafting im nahliegenden Fluss.

Mit meiner Reise in den Nationalpark in Lagodekhi habe ich übrigens alle Regionen in Georgien einmal besucht. Ich finde es aber ziemlich schwierig zu sagen, welche mir am besten gefallen hat, aber Samegrelo, Guria und Samtskhe Javakethi sind auf jeden Fall oben dabei. In Lagodekhi haben wir gezeltet und sind zu einem riesigen Wasserfall gewandert. Aufregend wurde es in der letzten Nacht, in der wir von lautem Donner geweckt wurden und wir schnell vor dem Gewitter in die Rangerstation flüchten mussten, wo wir dann zwischen ausgestopften Bären und Luchsen übernachtet haben. Ich, die ohne jegliches Outdoorequipment oder gar Wanderschuhen nach Georgien gekommen ist, hätte zu Beginn des Jahres mir niemals vorstellen können in einer solchen Situation zu enden.

Ende Juni folgte ein weiteres Highlight meines Jahres: Das Tbilisi Open-Air-Festival. Wir konnten hier viele tolle KünstlerInnen live sehen, besonders toll waren die vielen neuen georgischen Bands, wie Mechanical Rainbow oder Monster Lobster, die wir hier kennengelernt haben. Nachdem wir nach den drei langen Nächten wieder ausgeschlafen waren, ging es in den Urlaub nach Kutaisi. Dort haben wir in der natürlichen Schwefelquelle in Vani im Sonnenuntergang gebadet, hatten mal wieder lustige Erlebnisse beim Trampen, waren in der Prometheus Tropfsteinhöhle und in verlassenen Sanatorien aus den 50er Jahren. Danach ging es endlich wieder ans Meer. Wir haben direkt am Strand gezeltet, so dass man beim Aufwachen einen Blick aufs Meer hatte. Besonders toll war es, dass man trotzdem noch immer die Berge mit den weißen Gipfeln im Blick hatte, während man im warmen Meer schwimmen war.

Zum Abschluss des Jahres habe ich es dann auch endlich mal nach Armenien geschafft, die Male zuvor ist es immer wegen Projekten von DRONI oder weil ich krank geworden bin, ausgefallen. Auch wenn es Nachbarländer sind, unterscheiden sich Armenien und Georgien stark und es war komisch wieder in einem Land zu sein, wo man keine Sprachkenntnisse oder Orientierung hat, fast so wie zu Beginn in Tbilisi. Wir waren die meiste Zeit in der Hauptstadt Yerevan, haben aber auch einen Ausflug nach Gyumri unternommen. Auch wenn es nicht geplant war, hatten wir das Glück während Vardavar in Armenien zu sein. Dieser Feiertag oder besser gesagt Wasserfest wird jedes Jahr im Juli in allen Provinzen, großen und kleinen Städten und Dörfern Armeniens gefeiert. Es ist der beliebteste und am meisten erwartete Tag des Jahres, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. An diesem Tag ist das Wasser überall … Menschen holen Wasser von den Dächern, ihren Balkonen, auf den Straßen, in den Bussen, in der U-Bahn. Es war ein unfassbar lustiger Tag und ich würde jedem raten, dem es möglich ist, an diesem Tag in Armenien zu sein.

Jetzt bin ich allerdings schon wieder in Deutschland. Es fühlt sich merkwürdig an und ich denke viel an die Zeit in Georgien. Ich glaube, nichts kann einen so wirklich auf das Gefühl vorbereiten, wenn man das erste Mal wieder in seinem „Kinderzimmer“ aufwacht und realisiert, dass die zumeist sorgenfreie und ereignisreiche Zeit im Ausland nun vorbei ist und ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Ich habe mir so viel von einem ESK Freiwilligendienst erhofft, hatte aber auch viele Sorgen und Befürchtungen, schließlich ist es ein großer Schritt mit 19 für ein Jahr alles zurückzulassen was man bis dahin gekannt hat. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb bin ich endlos glücklich diese Chance wahrgenommen zu haben. Nach dem Abitur wollte ich noch nicht in das „echte“ Leben einsteigen und wusste auch gar nicht wohin es mal gehen soll. Während des Jahres habe ich viel über mich gelernt, über meine Stärken und Schwächen und auch was ich nun machen möchte. Besonders schätze ich die gewonnene Unabhängigkeit, denn dadurch, dass man dieses Jahr weitestgehend losgelöst vom gewohnten Umfeld war, musste man mit Problemen selber fertig werden, auch wenn das bedeutet, sich Hilfe zu suchen. Außerdem bin ich viel mutiger und selbstbewusster geworden, besonders dadurch, dass man durch ständige Präsentationen oder öffentliches Sprechen und Auftreten in eine Art Routine verfällt. Mir ist die Arbeit bei DRONI sehr viel einfacher gefallen, nachdem ich den Mut hatte eigene Projekte zu verfolgen und für meine Ideen einzustehen und somit meine Aufgaben mitzugestalten und selber festzulegen. Denn gerade zu Anfang viel mir der Arbeitsalltag schwer, denn viele Aufgaben schienen recht langweilig und waren so in etwa das, worauf man sich nicht so sehr freut, wenn man an Büroarbeit denkt. Manchmal gab es auch nicht so viel zu tun, wodurch ich mich in den ersten Wochen etwas überflüssig gefühlt habe. Deshalb würde ich jedem den Rat geben, sich selber Aufgaben zu suchen und viel mehr sich welche zu erschaffen – Engagement ist das wichtigste. Der Freiraum und Ressourcen sind dafür gegeben, jetzt liegt es nur an einem selber, wie man diese nutzt.

Mein Lieblingspart an meinem Projekt waren definitiv die Erasmus+ Trainingskurse. Die frühzeitige Planung, die Kommunikation mit den TeilnehmerInnen (auch wenn diese auch manchmal zur Geduldprobe wurde) und dann schließlich die Durchführung des Projektes. Es war einfach so abwechslungsreich und auch wenn ich jedes Mal dankbar war am Ende der Projektzeit wieder mein eigenes Zimmer zu haben, war es doch jedes Mal eine unvergleichbare und sehr lehrreiche Erfahrung. Insbesondere der Managmentteil war für mich etwas komplett Neues, aber ich mochte es ziemlich gerne für eine Gruppe verantwortlich zu sein (abgesehen von der ersten Nacht, in der einen alle Neuankömmlinge aus dem Bett holen). Ungern habe ich mich dagegen um den Facebookaccount von DRONI gekümmert, aber glücklicherweise konnte ich diese unliebsame Aufgabe an eine andere Freiwillige weitergeben, die hoffentlich mehr Freude daran hat.

Das Jahr war gefüllt mit so vielen schönen Momenten und wundervollen Mitmenschen, von denen ich hoffe, dass ich sie auch weiterhin in meinem Leben behalte. Die Top-Momente zu benennen ist schwierig, aber wenn ich über das Jahr nachdenke, fällt mir der Mestia-Winterurlaub ein, wo wir im tiefsten Schnee in einer entlegenen Gegend Schneeballschlachten veranstalteten, Schlittengefahren und geritten sind und gewandert sind. Außerdem mein allererster Trainingskurs über Gender Equality im Dezember. Ich glaube selbst jetzt, nachdem ich zahlreichen Projekten beigewohnt habe, bleibt dieser mein Favorit. Nicht nur weil das Thema interessant war, vielmehr weil die TeilnehmerInnen und somit die Gruppe einfach so toll war. Mit vielen bin ich noch immer im Kontakt! Hier hat für mich die Begeisterung für Angebote von Erasmus+ so richtig angefangen, weil ich miterlebt hatte, was für Möglichkeiten so ein Kurs bietet. Auch wenn mir gerade unzählige weitere Momente einfallen, die ich für immer mit diesem Jahr in Verbindung bringe, verbinde ich besonders schöne Momente mit dem letzten Urlaub in Georgien und auch der Abschluss für unsere Freiwilligengruppe; der Trip nach Kutaisi und danach die Woche am Strand. Auch wenn ich unzählige Mückenstiche hatte, hat mir die Reise noch einmal mehr die Schönheit Georgiens vor die Augen geführt. Es war wirklich eine einzigartige Zeit!

Ich kann nicht oft genug wiederholen, wie sehr ich einen ESC weiterempfehlen würde! Es ist wirklich eine tolle Möglichkeit mehr über sich und über eine andere Kultur in einem anderen Land zu lernen, neue Sprachen zu sprechen, sich in Dingen auszuprobieren, die man sich zuvor nicht zugetraut hätte. Unabhängigkeit und Selbstständigkeit vielleicht zum ersten Mal ausleben und zu schätzen zu lernen und Freunde fürs Leben zu finden. Ich möchte nichts, die Höhen sowie die Tiefen dieses Jahres, missen, denn sie haben das Jahr erst zu dem gemacht, was es nun zum Abschluss für mich ist und was es so bedeutsam macht. Es hat mir die Angst vor neuen Lebensabschnitten genommen. Nach den vielen Jahren in der Schule mit einem gewohnten Umfeld, tollen FreundInnen und Hobbys hat mir die zwangsläufige Veränderung, die mit dem Studium einhergeht große Angst gemacht. Dieselben Ängste hatte ich zwar auch vor meinem Abflug, Fragen wie „Werde ich Freunde finden?“, „Was passiert, wenn ich Heimweh bekomme?“, „Was, wenn nichts so ist, wie ich es mir vorstelle und ich es bereue soweit weg zu sein?“, sind glaube ich vor so einem großen Schritt normal. Allerdings, so habe ich es zumindest empfunden, hat sich das Freiwilligenjahr nach dem Schulabschluss eher nach einem neuen Lebensabschnitt „light“ angefühlt, wodurch einem viel Stress genommen wurde. Für Wohnraum und dem finanziellen Aspekt ist gesorgt, man hat eine feste Arbeit über die man tolle Menschen kennenlernt und Mitfreiwillige, die genau dasselbe, wie man selbst durchmachen. Bei Problemen hat man Ansprechpartner Vorort, aber auch in Deutschland bei der Entsendeorganisation. Man ist also nie ganz allein und auf sich gestellt, trotzdem ist es natürlich eine große Umstellung. Aber durch diese gewährleistete Sicherheit konnte man sich mit den Aspekten von Wohnen in einer Wg, selbstständiges Arbeiten, sein Leben selber organisieren bis hin zu was kaufe ich wann ein voll und ganz auseinandersetzen. Jetzt, da ich solche Herausforderungen alle überstanden habe und mit ganz vielen neuen Lebenserfahrungen zurück bin, habe ich keine Angst mehr vor dem Umzug und der Aufnahme des Studiums, zumindest keine allzu große. Ich habe mehr Selbstvertrauen; in mich, aber auch darin, dass sich alles schon irgendwie fügen wird.

Auch wenn das Jahr vorbei ist, werden mich die Erinnerungen, die Menschen und die entdeckte Liebe zu Georgien noch eine ganze Weile begleiten. Eigentlich war es auch gar keine richtige Verabschiedung am Ende des Jahres, sondern viel mehr ein Versprechen auf ein Wiedersehen. Ich bin so dankbar, diese Möglichkeit bekommen zu haben und kann deshalb nur jedem, egal ob nach dem Schulabschluss, während des Studiums oder danach, ans Herz legen, sich auch für einen ESC zu entscheiden, denn die gewonnen Erfahrungen, hätte ich nirgendwo anders bekommen können! Dankeschön Georgien für diese wundervolle Zeit!

ნახვამდის,

Malin

Malin verbrachte ihren Freiwilligendienst in der Youth Association DRONI, ihr Projekt wurde kofinanziert von der Europäischen Union.