Hanno in Beirut, Libanon // 1. Bericht

Am Abreisetag noch schnell den Koffer gepackt und dann los. Als ich nachts in Beirut gelandet bin, die lichterfüllten Berge und mein Viertel „Ain El Remmeneh“ zum ersten Mal erblicken durfte, war ich überwältigt von der Schönheit Beiruts. Am ersten Abend wurde ich von vielen anderen Jugendlichen beim Chabibeh Club erwartet und durch die Nachbarschaft geführt: Wo ist meine Wohnung? Wo bekomme ich günstiges veganes Essen? Und wo finden gerade die Proteste statt? Die „Thawra“ (Revolution) war bereits am ersten Tag omnipräsent.

Meine Zeit in Beirut fing direkt mit einer ordentlichen Lebensmittelvergiftung an. War ja klar – der Alman verträgt das Essen nicht. Oder habe ich doch etwa versehentlich das Leitungswasser getrunken? Fragen über Fragen. Die Lebensmittelvergiftung jedenfalls mündete in ein wundervolles ERASMUS+ Training in der Nähe von Byblos, wo ich direkt viele großartige Menschen kennengelernt habe. Bei dem einwöchigen Training mit dem Titel „Re-Actors“ ging es darum, verschiedene Theatermethoden zur Prävention von Gewalt einzusetzen.

Nach dem Training wurde ich in die Strukturen des Vereins und einige Projekte eingeführt. Einige Aufgaben, die im Vorfeld für mich geplant wurden, konnte ich nicht direkt übernehmen, da aufgrund der Proteste einige Kooperationsprojekte mit Schulen noch nicht stattfinden konnten.

Nach ein paar Wochen fiel ich nun nach anfänglicher Euphorie in ein kleines Loch. Beim Chabibeh Club hatte ich noch nicht so viele Aufgaben, wie ich es mir erhofft hatte und die Arbeitszeiten sind sehr irregulär. Außerdem verlief die Suche nach einem Arabischkurs sehr schleppend. Gleichzeitig hatte ich gerade erst die ersten Leute und potenziellen Freund*innen kennengelernt, sodass meine sozialen Kontakte dieses Loch noch nicht ausgleichen konnten. Und je kürzer, dunkler und regnerischer die Tage wurden, desto mehr verflog die anfängliche Schönheit von Beirut. Überall nur Autos (so viele Autos!) und Abgase. Immerhin hatte ich mir mittlerweile ein Fahrrad besorgt, mit dem ich mich an den Staus, Pfützen und Schlaglöchern vorbeischlängeln konnte.

Schneller als gedacht, gelang es mir dann doch, aus dem Loch wieder herauszuklettern. Die Tage waren zwar immer noch dunkel und regnerisch (und nüchtern betrachtet ist Beirut nun wirklich nicht wunderschön, ernsthaft: „The most beautiful city in the Middle East“?), aber ich hatte das Glück immer mehr wunderbare und interessante Menschen kennenzulernen und sehr gute Freund*innen zu finden. Bei einer Open Stage hatte ich endlich auch eine Person zum Musik machen gefunden! Und die Arbeit in der NGO wurde auch intensiver – es folgten Workshops zu „Peacebuilding“, „CV Writing“, „Sexual Health and Drug Use“ sowie ein Kunstprojekt.

Nachdem ich dann Weihnachten zum ersten Mal außerhalb von zuhause verbrachte, kam mich mein Freund am zweiten Weihnachtstag für drei Wochen besuchen. Zeit genug, um mehr von der Natur Libanons mitzubekommen – beim Wandern im Qannobine Valley oder der Jeita Grotte.

Anfang Januar begann dann endlich mein erstes komplett eigenständiges Projekt an zwei Schulen (zwei weitere folgen). Bei dem Projekt „Critical Sports“, erfinden die Teilnehmer*innen ihre eigene Sportart und werden an kritisches Denken und demokratische Entscheidungsprozesse herangeführt.

Der Start ins neue Jahr verlief damit sehr optimistisch.

Hanno

Hanno ist Teil unseres Projektes “Global Change Makers”, finanziert durch Jugend für Europa und das Europäische Solidaritätskorps.