Annik in Skopje, Mazedonien // 1. Bericht

Ich bin Annik, 18 Jahre alt und seit knapp 2 ½ Monaten lebe ich in Skopje, Mazedonien. Das war mein erster Umzug, mein bisheriges Leben habe ich in Bremen verbracht. Für mich war das eine ganz schöne Umstellung, aus einer kleinen, verregneten Fahrradstadt in eine Hauptstadt wie Skopje zu ziehen. Nachdem ich endlich, nach über einem Monat Verspätung, mein Visum aus dem winzigen Konsulat in Berlin abholte, ging ein Jahr los, dass ich niemals vergessen werde.

In Skopje begrüßten mich zehn andere Freiwillige aus Deutschland, Frankreich, Polen und Finnland. Menschen, die unterschiedlich alt sind, mit verschiedenen Muttersprachen und Kulturen aufgewachsen sind und doch zu einer Familie zusammenwuchsen. Doch bevor ich in eine der zwei Wohngemeinschaften ziehen konnte, lebte ich mit dem Hausvermieter und Freund der NGO Volunteers Centre Skopje für zwei Wochen zusammen, weil die Zimmer der Freiwilligen alle belegt waren. Nun teilte ich also mit einem Ende 30-jährigen Mann meine erste WG. Am Anfang ein wenig befremdlich, aber weiterhin nicht schlimm, weil die Wohnung nur zwei Stockwerke unter meinem zukünftigen Zuhause und mein Mitbewohner eine liebe, sehr redelustige Person war.

In der Schule, in der ich nun mein nächstes Jahr arbeiten würde, begrüßte mich meine Tutorin Meri, eine junge, oft lachende Frau. Sie zeigte mir das Gebäude, das mit vielen Klassenzimmern, einem Sportraum und einem Sensory-Room, also ein Entspannungsraum inkl. großer Lavalampe, ausgestattet ist. Dieser Raum ist besonders wichtig für die Kinder, die hauptsächlich Autismus und andere geistige oder körperliche Behinderungen haben. In meiner ersten Klasse, in der ich an dem folgenden Montag dann anfing, betreute ich mit einer Lehrerin drei Schüler. Es war spannend zu sehen, wie die Kinder mit den Lehrer*innen interagieren, aber leider hatte ich bis auf Zettel auszuschneiden wenig zu tun. Am interessantesten waren die Pausen, in denen ca. 50 Kinder, mit Autismus, ADHS, Schizophrenie, Down-Syndrom und weiteren Behinderungen aufeinandertreffen. Nach zwei Wochen wechselte ich die Klasse und arbeitete mit jüngeren Kindern zusammen. Dass war gut, weil ich so mehr zu tun hatte. Diese Kinder waren sehr low functional und konnten daher keine Aufgaben bearbeiten. Sie haben deshalb oft Musik gehört, lange gefrühstückt und gepuzzelt. Oder wie die Lehrerin mir einmal schön gesagt hat: „they can´t talk, read or write but we are trying everything to make them happy:“

Es ist wahnsinnig spannend die Lebensgeschichten der Kinder zu erfahren und zu sehen, wie sich ihre Familiensituationen auf ihre Verhaltensweisen auswirkt. Es gibt Kinder, die wochenlang die gleiche dreckige Kleidung tragen, Löcher in allen Zähnen haben und ihre Hose im Flur ausziehen wollen, um zu urinieren. Andererseits gibt es Kinder, die lächelnd durch den Flur tanzen und die Lehrer*innen umarmen. Zuerst haben mich die Verhaltensweisen erschreckt, aber als ich dann erfahren habe, dass sie teilweise mit den trinkenden Großeltern, überforderten oder nur arbeitenden Eltern leben, taten sie mir einfach nur noch leid.

Die meisten Lehrer*innen sprechen wenig bis gar kein Englisch, was es mir und Antonia, die andere deutsche Freiwillige in der Schule und meine Mitbewohnerin, schwer macht Kontakt aufzubauen. Bis auf unsere gemeinsame Tutorin reden also nur wenige mit uns. Auch die Schulleiterin, die am ersten Tag zwei Stunden zu spät zu unserem Termin kam, begrüßt Antonia und mich nicht. Dass ist sehr schade, weil es eine schöne Arbeitsatmosphäre geben und den Arbeitsalltag motivierender gestalten könnte. In der Vorweihnachtszeit wurden Antonia und ich mit vielerlei Basteln beschäftigt. Nach der Arbeit, saßen wir da und haben erst Schlüsselanhänger gebastelt, dann Weihnachtskarten bemalt. Nachdem wir eineinhalb Hörbücher gehört haben, hatten wir 120 Schlüsselanhänger und 60 Weihnachtskarten ausgeschnitten und bemalt. Es hat Spaß gemacht, aber ist wenig zufriedenstellend, wenn es als Selbstverständlichkeit und ohne Dankschön angenommen wird.

Außerhalb von der Arbeit organisieren die anderen Freiwilligen, die in dem VCS Office arbeiten, oft Evente, wie z.B. Karaoke, Speedfriending oder Quizze in einem Pub. Das ist ziemlich schön, denn dadurch lerne ich nicht nur die anderen Freiwilligen, sondern auch viele andere lebensfrohe und energievolle Menschen in Skopje kennen.

Der Freiwilligendienst in Mazedonien hat mir auch das Reisen der Balkanländer ermöglicht. Dadurch, dass mein Freund ein Freiwilliges Kulturelles Jahr in Prishtina macht, habe ich schon den Kosovo erkundigt. Und auch mit meiner WG bin ich durch Serbien und Bosnien-Herzegowina gereist.

Es ist schön, dass mir der Freiwilligendienst nicht nur das Arbeiten in einer Schule und lernen einer neuen Sprache ermöglicht. Sondern auch das Reisen, mich anders kennenlernen und lernen mit den unterschiedlichsten Menschen in einer kleinen, verschimmelten Wohnung zu leben.

Annik verbringt ihren Freiwilligendienst in der Zlatan Sremec Schule und im Volunteers Centre Skopje in Skopje, Nordmazedonien. Das Projekt wird durch das Europäische Solidaritätskorps gefördert.